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HUL-Newsletter

#14 — 17 July 2023

Editorial: KI-Szenarien für die Hochschullehre? Ein persönlicher Kommentar

Ende der 1990er Jahre kursierte ein Text, der ein Szenario der „Universität im Jahre 2005“ schilderte (herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung). Unter denen, die sich damals für „neue Medien“ interessierten, wurde er hitzig diskutiert. Eine der zentralen Prognosen lautete, dass 2005 über die Hälfte der Studierenden in virtuellen Universitäten lernen würden; die traditionelle Präsenzuniversität würde dann deutlich geschrumpft sein. Warum ich gerade an diesen Text denke, dürfte daran liegen, dass da für mich erstmals ein konkretes Zukunftsszenario von Hochschulbildung gezeichnet worden ist, so wie wir das auch jetzt in Papieren lesen, die Künstliche Intelligenz (KI) ins Zentrum ihrer Visionen von Universitäten stellen. Und wieder sind es vor allem Stiftungen, die plakative Zukunftsszenarien verbreiten. Nun aber geht es nicht mehr darum, Präsenzuniversitäten durch virtuelle Universitäten zu ersetzen. Vielmehr sollen Präsenzhochschulen nun durch KI besser, effizienter und individualisierter werden.

Inhaltlich hat sich die Argumentation also deutlich geändert: Die Zukunftsszenarien um 2000 herum gingen davon aus, dass sich Rahmenbedingungen, Situationen und Werkzeuge virtualisieren lassen und uns von Raum- und Zeitfesseln befreien. Aktuelle Zukunftsszenarien setzen an der Frage an, was künstliche Intelligenz besser kann als menschliche Intelligenz, welche Kenntnisse und Fertigkeiten man braucht, um diesen KI-Mehrwert zu nutzen, und wie das Potenzial ausgefüllt werden kann, das durch Delegation von Routineaufgaben an KI frei wird.

Erstaunlich konstant geblieben ist in den letzten fast 25 Jahren allerdings die Denk- und Argumentationsrichtung im Rahmen der Szenarien-Entwicklung: Technische Entwicklungen sind der Motor für Digitalisierung und Verbreitung von KI; Bildungseinrichtungen wie Universitäten haben die Aufgabe zu reagieren und Menschen auf das, was da kommt, vorzubereiten. Universitäten haben nach dieser Logik keinen proaktiven, an der Entwicklung der Gesellschaft aktiv und gestaltend eingreifenden Part. Selbst Bildungsziele werden inzwischen von außerhalb der Universität definiert und eingefordert: Gerade hatten wir uns damit arrangiert, bildungstheoretische Überlegungen in die Sprache der Kompetenzorientierung zu übersetzen, um damit – was ja nicht verkehrt ist – die Verständigung mit Anschlusssystemen zu verbessern (wobei ich gar nicht weiß, ob das gelungen ist). Nun stehen wir vor bunten Grafiken mit sogenannten Future Skills, an denen wir universitäre Bildung in Zeiten von KI ausrichten sollen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Zukunftsszenarien als Impuls für Debatten im universitären Kontext sind gut und wichtig. Vermutlich spielt es auch keine gravierende Rolle, wenn diese kurios, widersprüchlich und theorieabstinent sind, sofern wir sie nutzen, um uns selbst in diese Debatte einzubringen – und damit meine ich nicht nur Universitätsleitungen und Lehrpersonen, sondern auch Studierende. Wir sollten uns nicht einfach Zukunftsszenarien vorsetzen lassen und dann gehorsam Strategien entwickeln, wie wir den Anforderungen und Möglichkeiten gerecht werden, welche die technologische Entwicklung vorgibt. Welche alternativen Zukunftsszenarien in Zeiten von KI sind vorstellbar? Was wollen wir als Menschen trotz oder wegen KI künftig wissen und können? Was ist verzichtbar, was ist nur scheinbar irrelevant geworden, was kommt neu hinzu? Was sind Routineaufgaben in der Lehre und im Studium und wann kann man sie guten Gewissens an KI delegieren? Was verlernen wir, wenn wir das tun, und welche Relevanz hat der entsprechende Kompetenzverlust?

All diese Fragen werden vielleicht in einigen Punkten disziplin- und fachübergreifend zumindest ähnlich beantwortet werden. Weitaus mehr Fragen, so vermute ich, werden disziplin- und fachspezifische Antworten hervorrufen, was Szenarien der einen Zukunftsuniversität wohl ohnehin obsolet macht. In einigen Fragen werden sich Lehrpersonen und Studierende vielleicht einig sein. In anderen werden sie divergieren und es ist dann zu klären, wie man damit umgeht: Was lässt sich aushandeln, was ist derart, dass es legitim erscheint, Überzeugungsarbeit zu leisten? Es ist anstrengender miteinander zu sprechen und zu streiten, als einfach gestrickte Positionspapiere zu übernehmen oder sich auf politische Setzungen mit oder ohne wissenschaftliche Weihen zu berufen und didaktisches Handeln daran auszurichten. Diese Anstrengung aber scheint mir nötig.

Gabi Reinmann

LEHRE WEITERDENKEN

DeppGPT
DeppGPT, ebenfalls auf dem Sprachmodell ChatGPT von OpenAI basierend, generiert beunruhigende Antworten auf die Frage von Datenschutz und ChatGPT.

Daten und Kakerlaken: ChatGPT und Datenschutz

Seit dem Aufkommen von ChatGPT gibt es vor allem zwei Schwerpunkte in der Diskussion um generative Text-KI: Auf der einen Seite geht es um die Frage, wie die KI-Tools die Hochschulbildung, ihre Ziele, Inhalte und Methoden, verändern werden. Auf der anderen Seite werden Rechtsfragen zu Prüfungen und Plagiaten thematisiert. In der konkreten Qualifizierungspraxis treibt uns allerdings noch ein weiteres Thema um: Können wir didaktische Einsatzszenarien für nicht datenschutzkonforme Tools wie ChatGPT und Co. herausgeben?
Bild: generiert mit Dall-E, Prompt: “a water colour stencil painting of a robot in a classroom together with humans”
Bild: generiert mit Dall-E, Prompt: “a water colour stencil painting of a robot in a classroom together with humans”

KI Hands-on: Generative KI in der Lehre – Lehrbeispiele der Universität Hamburg

Chat-GPT-generierter Teaser: Erfahren Sie mehr über den Einsatz generativer KI-Tools in der Lehre. Lehrende aus verschiedenen Fachbereichen präsentierten praxisnahe Erfahrungen und Anwendungsbeispiele. Aufgezeichnete Vorträge werden über Lecture2Go verfügbar sein. Erfahren Sie mehr über Good Teaching Practices und Richtlinien für den Umgang mit generativer KI. Melden Sie sich in unserer Mailingliste an: tinyurl.com/gki-uhh. Dank an alle Beteiligten. Freuen Sie sich auf weitere Veranstaltungen zum Thema generative KI in der Lehre an der Universität Hamburg. 

Bild: generiert mit Dall-E, Prompt: “a group of people running a marathon while typing into laptops in digital art”
Bild: generiert mit Dall-E, Prompt: “a group of people running a marathon while typing into laptops in digital art”

Prompt-a-thon mit generativer KI: Neuer Assistent, kreativer Ideengeber – und einfaches Täuschungswerkzeug?

Künstliche Intelligenz wie ChatGPT ist inzwischen kaum mehr aus dem Alltag wegzudenken. Generative KI kann Texte, Bilder oder Musik auf Basis kurzer Eingaben, sogenannter „Prompts“, in Sekundenschnelle herstellen. Besonders die Hochschulen stehen damit vor umgreifenden Veränderungen. Die MIN-Fakultät hat sich mit generativer KI im Rahmen eines „Prompt-a-thons“ beschäftigt. Constantin von Brackel-Schmidt hat die Veranstaltung zusammen mit Kolleg:innen organisiert und berichtet in diesem Interview von seinen Erfahrungen. 

Bild: generiert von Dall-E, Prompt: “an oil painting of a medieval prince sitting in front of a computer asking himself
Bild: generiert von Dall-E, Prompt: “an oil painting of a medieval prince sitting in front of a computer asking himself "To chat or not to chat"

„To Chat or Not to Chat“: Wissenschaftliches Schreiben und ChatGPT

Die Mitarbeitenden am Schreibzentrum unterstützen Lehrende und Studierende bei ihren Anliegen rund um das Schreiben an der Universität. Sie beschäftigen sich intensiv mit den Auswirkungen von ChatGPT und anderen KI-Tools auf das wissenschaftliche Schreiben. So haben sie im März einen Lehrendenworkshop durchgeführt, in dem die Teilnehmenden Ideen ausprobieren konnten, um ChatGPT in Schreibaufgaben entweder auszuschließen oder gezielt einzusetzen. Wir haben uns mit ihnen darüber unterhalten.

Bildunterschrift: DeppGPT, ebenfalls basierend auf dem Sprachmodell ChatGPT von OpenAI, generiert beunruhigende Antworten auf die Frage nach Kants Konzept von Mündigkeit und KI.
Bildunterschrift: DeppGPT, ebenfalls basierend auf dem Sprachmodell ChatGPT von OpenAI, generiert beunruhigende Antworten auf die Frage nach Kants Konzept von Mündigkeit und KI.

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, mit und ohne KI!

Forschendes Lernen als Möglichkeit, mit KI-gestützten Tools zu studieren. In welchem Verhältnis stehen das Bildungsideal der mündigen Studierenden und KI-gestütztes Lehren und Lernen? Welche Positionen gibt es dazu im Hochschuldiskurs? Und in welchem Lehr-Lernsetting kann das eigenständige Studieren mit KI-gestützten Tools verbunden werden? 

weitere Empfehlungen 

Veranstaltungstipps

Publikationen

Eimer, A., & Bohndick, C. (2023). Facing fragmented labour markets: Individual variables and the decision-making ability of humanities students. Industry and Higher Education.https://doi.org/10.1177/09504222231165747

Lübcke, E. . (2023). Die Insel der Forschung. Hochschuldidaktische Qualifizierung im Selbstlernmodus. In: P. Tremp, (Hrsg.) Forschendes Lernen – Qualifizierung für Lehre und Unterricht? (33-36) Luzern: Pädagogische Hochschule Luzern. https://doi.org/10.5281/zenodo.7779352

Lübcke, E. & Sommer, A. (2023). Forschende für forschendes Lernen qualifizieren. Überlegungen zu Anforderungen an hochschuldidaktische Qualifizierungsangebote und eine sie erfüllende Utopie. In: P. Tremp, (Hrsg.) Forschendes Lernen – Qualifizierung für Lehre und Unterricht? (19-22) Luzern: Pädagogische Hochschule Luzern. https://doi.org/10.5281/zenodo.7779352

Reinmann, G. & Brase, A. & Lübcke, E. (2023). Wissenschaftsdidaktik auf sich selbst bezogen: Wissenschaftsdidaktik für die Wissenschaftsdidaktik. In: G. Reinmann und R. Rhein (Hg.), Wissenschaftsdidaktik II (359-380). Bielefeld: transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839462959-016

Reinmann, G. und Rhein, R. (Hg.), Wissenschaftsdidaktik II. Einzelne Disziplinen. Bielefeld: transcript Verlag. https://doi.org/10.14361/9783839462959-016